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Der
Verleger Richard Weitbrecht schreibt ...
Liebe
Barbara!
Es ist noch gar nicht lange her, da hast Du mir einen Angsttraum
von Dir geschildert, daß Du einen herrlichen Titel gefunden
hattest: "Tausend Schiffe trieb der Wind" - und Du die
Gefahr sahst, daß ich als gestrenger und genauer Rechner nur
286 Segel zählen könnte und der Titel daher falsch sein
müsse. Wir haben beide herzhaft geschmunzelt, denn so ganz
unrecht hast Du ja nicht damit, daß wir als Verleger von Dir
den kaufmännischen Teil stimmend machen müssen.
Dennoch aber, wenn ich nun an die 20 Jahre der Zusammenarbeit denke,
dann erinnere ich mich nicht an Zahlen, sondern zum einen an das
allererste Manuskript "Die Töchter des Königsbauern",
das bei uns ankam. Da war eine Geraune im Haus, daß sich hier
eine neue Hoffnung zeige. Die Hoffnungen haben sich erfüllt,
aber welch langer Weg war es vom ersten Wagnis von Dir mit uns -
und von uns mit Dir, bis dann, vielleicht fünf Jahre später
der erste internationale Erfolg deutlich wurde.
Ich erinnere mich des weiteren - es muß in den 50er Jahren
gewesen
sein - an einen Besuch in Altona in der Bergstraße. Es war
ziemlich laut, und es war auch ziemlich eng. Schon bein nächsten
Mal wart Ihr dann umgezogen in ein eigenes Haus in Buxtehude, und
wir alle fanden das einen ungeheuren Fortschritt; ein zweites Mal
war ich dort, zusammen mit meinem Sohn, der mich als Student und
Fan fürs Autofahren kutschierte und Euren Wein genau so gerne
genoß, und sicherlich war ich auch noch ein paar weitere Male
da. Und schließlich die letzten Besuche, nun schon wieder
seit fast zehn Jahren, in Nottensdorf, in dem wunderschönen
Haus, von dem aus man über den Garten hinweg auf die große
Lichtung sieht, wo die Hasen wirklich kommen, nur die Füchse
fehlen, die ja Buxtehude eigentlich zuliefern müßte.
Was mich faszinierte und mich immer wieder anzog, war eine gewisse
gleiche Grunderfahrung, eine gewisse gleiche Einstellung zu menschlichen
und ethischen Werten, die wir als junge Menschen erleiden, erproben
mußten und die uns damals getragen haben, die nach unserer
übereinstimmenden Meinung heute in Gefahr sind, so daß
es Dein Werk und Deine Aufgabe war, darüber zu schreiben, genau
so, wie ich meine Aufgabe darin sah, Bücher dieser Art mit
besonderer Intensität und persönlichem Engagement zu verlegen.
Da ist etwa "Die Königstochter aus Erinn". Viele
Leute lesen ganz verschiedene Dinge daraus. Mir ist an diesem Buch
zum einen wichtig, daß ein Ehepaar durch schwerste Zeiten
unbeirrt zusammenhält, sich eins auf das andere unbedingt verlassen
kann, und auf der anderen Seite, daß Grainne es als eine Herabsetzung
des weiblichen Geschlechts empfindet, was ihr Bruder mit der Schmied-Tochter
und anderen Frauen treibt. Beides sind heute keine Selbstverständlichkeiten
mehr und ich bin Dir dankbar, daß Du hier jungen Menschen
auch das andere Dir und mir wichtige Bild von der Erfüllung
einer Ehe gegeben hast und wie Du Dich zu der Intimbeziehung Mann
und Frau stellst. Ich weiß, beide Anschauungen gelten heute
nicht als modern, aber sie sind so wichtig, daß man sie hochhalten
muß, bis sie wieder modern werden.
Oder da sind die "Kosaken gegen Kutschum -Khan" mit dem
Fortsetzungsband "Rettet den großen Khan". Ein Musterbeispiel,
was Haß, Mord, Neid anrichten können und wie Menschlichkeit,
besonders dem Nächsten gegenüber, Verwandlungen bewirken,
die man gar nicht vermuten sollte. Es ist vielleicht nicht ganz
unwichtig, daß in Deinen Büchern die Beziehung zum Nächsten
höher und wichtiger gehalten wird als die Beziehung Gruppe
zur Gruppe. Dir wie mir erscheinen die Beziehungen Vieler zu Vielen
zu anonym und nicht tragfähig genug, so daß also das
Verhältnis zum Einzelnen das entscheidend Wichtige, das immer
von neuem zu Wagende sein muß.
Noch etwas hat uns wohl durch die Jahre immer wieder verbunden,
das persönliche Interesse an der Geschichte, an historischen
Zusammenhängen, wobei immer wieder die Frage durchdringt, wie
ist es wirklich gewesen, wie haben die Menschen gelebt und worüber
haben sie sich gefreut, gelitten, wobei nicht unsere heutigen Vorstellungen
von Recht und Unrecht, von Selbstverwirklichung und Emanzipation
damals wirksam gewesen sein können oder müssen, sondern
sie mußten und müssen aus der damaligen Zeit verstanden
werden, auch wenn uns diese Zeit noch so fremd vorkommt. Aber dem
nachzuspüren und dann über diese persönlichen Beziehungen
zum Nächsten das eigentlich Wichtige über die Augenblicksituation
hinaus Wirkende darzustellen und zu finden, das war Dein Anliegen,
das war mir wichtig, und deshalb leben Deine Bücher bei Thienemann
so lange.
Bleib uns erhalten in Deiner Strenge, was die Qualität der
Form und der sachlichen und menschlichen Richtigkeit Deiner Person
anbetrifft. Bleib uns erhalten in Deiner menschlichen Wärme
und sei zu Deinem Ehrentag herzlich gegrüßt von Deinem
Verleger
Richard
Weitbrecht
(Auszug
aus der Festschrift:"Barbara Bartos-Höppner - 20 Jahre
Jugendbuchautorin")
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